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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Jährlicher Brief zum Inflationsausgleich an die Produzenten verschickt



GSch
09.12.2013, 00:36
Er ist unterwegs!

Wie jedes Jahr hat fairTV am 25.11.13 an alle mitteldeutschen Produzenten einen Brief verschickt, in dem um Verständnis für Inflationsanpassungen und die Verbesserung der Arbeitsbedingungen geworben wird. Das schafft Planungssicherheit und bereitet die Produzenten „schonend“ auf Verhandlungen und Musterbriefe zur jährlichen Honoraranpassung vor.

Beachtet aber bitte, dass dieser Brief nicht eure eigenen Anstrengungen ersetzen kann. Ihr müsst selbst verhandeln! Trotzdem seid ihr nicht allein! fairTV wird in den nächsten Tagen wieder Musterbriefe für die Honoraranpassung vorbereiten und Mitgliedern wie Interessierten zur Verfügung stellen. Außerdem unterstützt der Verein seine Mitglieder bei der Durchsetzung der Anpassungen. Noch kein Mitglied? Das geht hier (http://www.fairtv.net/index.php/mitglied-werden).

Und das ist der Brief (http://www.fairtv.net/dokumente/fairTV_2013_11_20.pdf) für Interessierte zum Nachlesen.

lg. GSch

GSch
09.12.2013, 01:09
Liebe Freunde und Kollegen, verehrte Gäste dieses Forums,

als Reaktion auf unseren Produzentenbrief erhielten sowohl wir als auch alle ca. 100 Produzenten noch am gleichen Tag eine E-Mail von Mike Brandin, einem ehemaligen Cutter-Kollegen, inzwischen aber seit mehreren Jahren Fernsehproduzent und Geschäftsführer der Firma InOneMedia. Darin bat er um Beantwortung einiger Fragen und griff unseren fortdauernden Inflationsausgleich scharf an.

Nun ist ein E-Mail-Verteiler mit um die 100 Adressen nach unserer Ansicht kein geeigneter Ort für derartige Debatten - zumal uns bereits Beschwerden über Spam nach der Mail von Mike Brandin erreichten. Wir baten daher um Verlagerung der Diskussion in unser Forum, denn um Antworten sind wir nicht verlegen.

Leider hat sich Mike Brandin seitdem weder bei uns gemeldet noch im Forum seine Fragen erneut eingestellt. Um antworten zu können und die im Raum stehenden Vorwürfe zu entkräften, zitieren wir daher nachfolgend die E-Mail des Leipziger Produzenten, wobei wir davon ausgehen, dass seine "Antwort an alle" den Wunsch implizierte, den Text nicht vertraulich zu behandeln.

Hier der Text:

Lieber Guntram,

sorry, aber irgendwas verstehe ich jetzt nicht. Vielleicht kannst Du mir ja helfen, Licht ins Dunkel zu bringen.
1998 bekam ich als freier Cutter für 10h auf dem freien Markt üblicherweise 350 DM = rund 180 €,
auf 8h gerechnet wären das 144€ gewesen. Lege ich nun eine jährliche Inflation von 2% zugrunde,
komme ich für 2014 auf 197,68€. Bekanntlich werden im Moment Cutter meist für 8 h mit 230€
oder höher entlohnt. Im letzten Jahr habt Ihr bereits festgestellt, dass die letzten Jahre
die Inflation nicht berücksichtigt worden sei. Deshalb wurde der 10h-Preis ja auf 8h festgelegt.
Das entsprach einer Erhöhung von 25%. Damit denke ich, ist die Inflation der letzten Jahre sicher gut berücksichtigt.
Ich bin schon dafür, dass die Inflation auch zukünftig berücksichtigt wird, aber da pauschal einfach
mal 3% dazu zu packen, finde ich nicht ok, zumal Verträge/Preise mit den Sendern
meist längerfristig vereinbart werden. Bleibt also wieder beim Produzenten hängen und höhere Kosten
bedeuten immer Gewinneinbuße, was bei der instabilen Auftragslage schon auch die Existenz bedeuten kann.

Über eine Stellungnahme dazu wäre ich dankbar.

Mit lieben Grüßen Mike

--
in one media
Mike Brandin - Produzent/Geschäftsführer
Tieckstraße 3
04275 Leipzig


lg. GSch

GSch
09.12.2013, 03:59
Hallo Mike Brandin,

schön, dass Du Dich mit unseren Empfehlungen auseinandersetzt.

Es ist allerdings nicht sehr zielführend, Dein Einstiegsgehalt 1998 und Deine ganz persönliche Bereitschaft, dafür sogar 10 Stunden zu arbeiten, als Grundlage zu zitieren.

Nach unseren Recherchen (unter anderem im Kollegenkreis, der auch Dir bekannt ist) bekam damals ein „gestandener“ Avid-Cutter, der über Talent, eine qualifizierte Ausbildung und/oder Erfahrung verfügte, in Leipzig bereits zwischen 450 und 500 DM - für 8 Stunden. Letzteres deckt sich auch mit den gesetzlichen Regelungen, wie sie im deutschen Arbeitszeitgesetz (§3) nachzulesen sind. Das ist für Selbständige zwar nicht unmittelbar bindend, eine Abweichung davon sollte unserer Meinung nach aber begründet sein und zusätzlich bezahlt werden. Und nicht zuletzt waren wir selbst überrascht zu erleben, dass selbst im vorigen Jahr, als wir die 8 Stunden durchsetzten, einige abwinkten und sagten: „Wieso 10? Das hatten wir ja noch nie - warum macht jemand sowas?“ und „Warum sollte man 10 Stunden zum Geld von 8 arbeiten? Im Sender gibt‘s auch nur 8 Stunden“.

Die leidige 10-Stunden-Unsitte, so kam dann heraus, wurde von einigen Firmen eingeführt, um sich auf dem Rücken der Fernsehschaffenden Wettbewerbsvorteile gegenüber anständigen Konkurrenten zu verschaffen, die sich freiwillig am Arbeitszeitgesetz orientierten. Und sie war vom Honorar vollkommen entkoppelt - kaum jemand hat für die Mehrarbeitszeit, wo sie eingeführt wurde, auch mehr Geld bekommen, niemand gar die von Dir erwähnten 25%! Insofern war die Rückkehr zu den 8 Stunden nichts anderes als die lange überfällige Korrektur von etwas, das es nie hätte geben dürfen - mit Inflation oder deren Ausgleich hatte das nichts zu tun, was von uns auch konsequent so kommuniziert wurde.

Kurz: 350 DM Tageshonorar auf 10 Stunden als die Norm 1998 für mitten im Berufsleben stehende, professionelle, selbständige Avid-Cutter anzusehen ist schlichtweg schlecht recherchiert. Die Durchsetzung von 8 Stunden darüber hinaus als „Inflationsausgleich“ mit 25% zu unterstellen ist schon deshalb nicht angemessen, weil die Erhöhung auf 10 Stunden Arbeitszeit auch nicht mit 25% mehr Honorar einher ging.

Hinzu kommt, dass nach dem statistischen Bundesamt die durchschnittliche Inflationsrate für das Sendegebiet deutlich über 2% p.a. lag - wir haben letztes Jahr den Wertverlust dort recherchiert, und der war in den letzten 20 Jahren 41% - entsprechend lag die Inflation bei 67% von 1991-2011.

Nun, und nicht zuletzt regeln unsere Mitglieder ihre Preise selbst. Wir sind keine Gewerkschaft - entsprechend müssen wir nicht verhandeln - wir empfehlen nur. Grundlagen für diese Empfehlungen (eben jene +3% zur Inflation z. B.) werden innerhalb von fairTV demokratisch alle 2 Jahre beschlossen – das letzte mal im Sommer 2012. Für das Jahr 2015 steht diese Zahl also noch nicht unverrückbar fest, für 2014 hingegen schon.

Ich hoffe, für Dich sind diese Ausführungen erhellend und bringen „Licht“ ins Dunkel, wie Du es Dir gewünscht hast. An einer Stelle muss ich Dich allerdings noch korrigieren – vielerorts haben sich bereits ca. 240 Euro für die 8-Stunden-Schicht durchgesetzt, und tatsächlich gibt es auch einige Firmen, die bereit sind, für gute Leistung noch weitaus mehr zu zahlen. Angemessen ist es allemal, das solltest Du als ehemaliger Cutter nicht abstreiten können.

Schlussendlich steht nämlich immer auch eine ganz andere Frage im Raum: wo soll der Medienschaffende im Einkommensgefüge unserer Leistungsgesellschaft verortet sein? Es wird sehr viel von ihm verlangt, er muss über viele Begabungen verfügen, kreativ sein, kommunikativ, technisch versiert, schnell, braucht Aus- und Weiterbildungen und eine hohe Intelligenz sowei gute Auffassungsgabe, von dickem Fell und der Fähigkeit, unter Stress Höchstleistungen zu vollbringen, ganz zu schweigen. Außerdem trägt er als Selbständiger volles Risiko und bietet den Produzenten volle Flexibilität. Wo also hat dieser hochspezialisierte Selbständige seinen Platz in der Gesellschaft verdient?

Nach unserer Meinung mindestens in der Mitte – davon ist er jedoch in unserer Region weit entfernt. Wir wollen das ändern. Du nicht?

Guntram Schuschke
fairTV e.V.

AlexK
09.12.2013, 20:13
@ Maik:
Dazu kann ich nur sagen, ich bin im Jahr 2000 in LE eingestiegen, damals gabs ohne zu mucken auch für "Anfänger" 400 DM/8h.
Ich habe von Anfang an bei mehreren Firmen gearbeitet und da wars überall zu diesem Tarif und zu 8h!
Die 10h Sache gabs meines Wissens damals nur bei CI !!! Aber Anfangs nicht bei allen Schnitten, kann mich erinnern,
dass meine ersten Schnitte bei CI, z.B. "Selbstbestimmt", auch auf 8h Basis waren!!!
Dann war ich einige Jahre weg von CI, und dann hatte sich die 10h-Pest auf ALLE Sendungen dort ausgebreitet, OHNE Lohnausgleich! UND dummerweise OHNE aufmüpfen der dortigen Cutter !!!
Kurze Zeit später zogen, ein paar "Firmen", mit dem 10h Trick nach.
Es war anscheinend sehr verlockend, Aufträge vom Sender abzugreifen, indem man einfach mal 2 Stunden Schnittzeit verschenkt, OHNE diese dem Cutter auszahlen zu müssen.
Jeder Produzent schlägt bei so einem Angebot natürlich Purzelbäume, die Freien Cutter u.a. durften das ausbaden!

Zum Spass auch von mir ein kleines Rechenbeispiel, ich beschränke mich aber auf nur 5 Jahre ;-) :
Geht man davon aus, dass man bei einer Firma pro Monat ca. 10 Schnitte hat und arbeitet jeden Tag 2h für umsonst, dann ergibt das bei z.B. 230€:

230:10= 23 x 2= 46 x 10= 460€ pro Monat= 5520 € pro Jahr !!!!

Macht man das 5Jahre, dann ergibt das einen VERLUST von 27600€ !!!

ODER anders gesagt, EIN DURCHSCHNITTLICHES JAHRESGEHALT !!!!!!

Frage: wo sind diese 27600€ pro Cutter hängengeblieben ?????? ;-)

Tja, man kann sich halt alles ganz einfach schönrechnen!
Die über die Jahre angefallenen tausende Euro Verlust bei den Freien sind aber leider Fakt !!!!

UND ICH HAB NOCH NICHT MAL DIE INFLATION MIT EINGERECHNET !!!! :D

Ich habe fertig.


PS: ein Freund hat mal gesagt: "Ich arbeite bei jedem, der sich's leisten kann, hö hö! :-D"